Die Fenster

Kirchenburg Walldorf        03.04.2017

 

Julian Plodek: Bemalen der Scheiben

Link: Die neuen Glasfenster

 

Die Fenster für Walldorf werden in der Glaswerkstatt Derix in Taunusstein umgesetzt.

Entsprechend der unterschiedlichen Motivgruppen erfolgt auch die Realisierung mit Hilfe verschiedener traditioneller wie moderner Verfahren; der Bogen spannt sich von der klassischen Bleiverglasung mit Echtantikglas bis zur modernen Verwendung großflächig aufgetragener Schmelzfarben.

Vier Mitarbeiterinnen stehen mir bei dem Projekt besonders zur Seite.

Mit ihrer Hilfe und Erfahrung kann ich die Möglichkeiten der Werkstatt vollständig nutzen.

Grundsätzlich geht der Umsetzung die Auswahl der Gläser voran, die dem Entwurf entsprechend zugeschnitten werden.

Bei der klassischen Bleiverglasung werden die zugeschnittenen Gläser zunächst in den verschiedensten Techniken malerisch bearbeitet und schließlich mit Bleiprofilen verbunden.

Ätzarbeiten und Arbeiten mit der Spritzpistole führen die Glasmalerinnen der Werkstatt aus. Diese Techniken kommen vor allem bei den großen Landschafts- und Pflanzenmotiven zum Einsatz.

Bei den Figuren, Tieren und dem Skelett  kommt es mir auf einen eigenen, ganz bestimmten Charakter der Malerei an. Diese Motive male ich selbst mit schwarzer Konturfarbe auf das bunte Glas.

Der erste Schritt ist meist eine Zeichnung aus feinen Konturlinien, die das Motiv bereits fassen. Danach erfolgt die Modellierung durch zarte Überzüge. Wässrige Farbe wird flächig auf das Glas aufgetragen und mit Pinseln und Kratzwerkzeug herausgenommen.

Nach jedem Arbeitsschritt muss die Farbe über Nacht eingebrannt werden.

Es sind zahlreiche Brände nötig, um eine besondere Tiefe und Volumen zu erzielen. Allerdings verändern sich die Farben im Ofen. Konturfarben hellen auf und Schmelzfarben erhalten erst durch den Brand ihre Transparenz und Farbigkeit.

Hier ist die Erfahrung der Mitarbeiterinnen kostbar. Sie helfen mir einzuschätzen, wie sich die Farben verhalten und gegenseitig beeinflussen.

Meistens wird auf Leuchttischen gearbeitet. Geprüft werden muss das Ergebnis aber direkt an einem Fenster, nur dort kann die Wirkung beurteilt werden. Dazu werden die Scherben provisorisch auf einer Trägerscheibe fixiert und an ein Fenster gestellt.

gez. Julian Plodek

 

Künstler: Julian Plodek http://julian-plodek.de/

Werkstatt: Derix Glasstudios http://www.derix.com/

 

 

 

Kirchenburg Walldorf        20.05. 2016

Entwürfe auf dem Leuchttisch

 

Arbeitsproben auf dem Leuchttisch

links: Evelyn Körber, Hohenfelden – rechts: Julian Plodek, Leipzig -

 

 

Rückmeldung an die Teilnehmer/innen

des Wettbewerbs zur

„Neugestaltung der Walldorfer Kirchenfenster“

 

Eva Skupin, Mehmels/Meiningen - Wolfgang Nickel, Georgenzell - Evelyn Körber, Hohenfelden - Andreas Scorupa / Atelier Goldstein, Frankfurt/M - Julian Plodek, Leipzig - Helge Warme, Brieselang - Thomas Jessen, Eslohe/Sauerland

Gläser, die (an)sprechen!

Sehr geehrte, liebe Glaskünstlerinnen und Glaskünstler,

 

wir haben durch Ihre Fenster ein wenig in Ihre Welt schauen dürfen, die Welt der Farben, des Lichtes …eine gläserne und leuchtende Dimension, die zugleich doch auch tiefgreifendere Begegnung anregt – danke!

Wie echt diese Begegnung war und ist, haben wir Wiederaufbauer einander mehrfach mit großer Freude versichert. Dank Ihres riesigen Engagements, dem Herzblut, das Sie in Ihre Entwürfe gegeben haben, bauen wir unsere Kirche jetzt anders. Die Kirchenmauern haben uns seit längerem schon vermuten lassen, unsere neue Kirche wird eine „Fensterkirche“, jetzt ist aus dieser Vermutung Gewissheit geworden …und die Fenster-Begegnung soll weitergehen, für alle stattfinden! Wir lassen uns auf Fenster ein, die uns ansprechen, die mit uns reden, die uns nicht in Ruhe lassen. Von diesen Fenstern gibt es unter Ihren Entwürfen mehr, als wir bauen können… keiner hat alle seine „Gläser“ fertig, wie sie am Ende werden sollen, doch Sie alle haben diese sprechenden Fenster dabei. Auch der Besucherstrom und die zahlreichen schriftlichen Rückmeldungen zur Ausstellung widerspiegeln diesen Eindruck.

Dienstag nach Pfingsten hat sich der Gemeindekirchenrat nun zusammengesetzt und über die Vergabe entschieden, heute hat die Architektenrunde abschließend beraten. Vorgelegen haben dem Entscheidungsträger die Ersteindrücke der Jury und eine zusammenfassende Beurteilung aus der Jurysitzung durch die Architekten. Der Jury gehörten an: Kunst- und Bausachverständige der Landeskirche, unsere Architekten, unsere Glasrestauratorin sowie Gemeindekirchenräte. Im Vorfeld sind zudem Bauphysiker beteiligt worden.

Außerdem hat sich der Gemeindekirchenrat mit allen schriftlichen Rückmeldungen der Ausstellungsbesucher bekannt gemacht und die Wirkung der Fenster auf die Besucher zur Kenntnis genommen.

Im Verlauf der Sitzung begegnete uns dann nach der ersten Runde eine Stimmengleichheit zugunsten mehrerer Glasgestalter. So sahen wir uns genötigt, die finale Entscheidung im Ausschlussverfahren herbeizuführen.

Wie bereits erwähnt, bauen wir unsere Kirche anders. Leitmotiv war demnach: Was bedeuten die Fenster des jeweiligen Künstlers für die Innenarchitektur… wo sollten wir uns bewegen, wo muss sich der Künstler noch ein wenig bewegen… da spielt zum Beispiel die Farbtemperatur eine Rolle, aber auch und besonders die „Sprache“ der neuen Fenster.

Als Ergebnis stellte sich dann zum Ende der Gemeindekirchenratssitzung neuerliche Stimmengleichheit zweier Künstler heraus. Unter Zuhilfenahme der Juryempfehlung und der Architektenzusammenfassung konnten wir dann jedoch sehr bald und in klarem Einvernehmen unseren Weggefährten für die weiteren Schritte des Wiederaufbaus benennen:

 

Julian Plodek, Leipzig

 

Unsere Architekten für das Innere der Kirche

OSTERWOLD°SCHMIDT beschreiben seine Arbeit wie folgt

Julian Plodek:

 

 

Der Entwurf von Herrn Plodek verblüfft mit unerwarteten Paradoxen: die Fenstergestaltung erscheint konkret und abstrakt, malerisch und grafisch, sachlich und unglaublich romantisch zu sein. Bei aller Fenstervielfalt in Form, Größe, Position etc. schafft der Künstler Bezüge zueinander und längs durch den Raum, indem übergeordnete Prägungen vereinen: im Norden die grafische, im Süden die malerische und zudem inhaltlich motivische Prägung. Das ganze Universum zwischen weltlichen und kirchlichen Bezügen sowie zwischen abstrakter und bildhafter Darstellung wird eingebettet in die Naturdarstellung.

Auf die gleiche Weise funktioniert auch die Technik und Motivmischung - sozusagen als universelles Gefüge, das abstrahiert wie konkret wirkt, auch symbolisch gelesen werden kann und sich auf diese Weise immer wieder selbst erklärt.

Vermutlich steckt in diesem Entwurf eine gewisse Genialität, da die Einzelidee immer wieder in die Gesamtidee überzugehen scheint und umgekehrt, so dass dem Betrachter Ruhe und innere Einkehr in dieser Wiederholung, in dieser Repetition, gleich einem Gebet - vielleicht darf man hier auch sagen: ähnlich einem Mantra - gegeben wird.

Statt Illustrationen werden Bilder vom Künstler angeboten - Bilder, die Identifikation stiften und Interpretationsspielraum lassen sollen. Ins Spannungsverhältnis werden dabei klassisch-traditionelle zu modernen Prinzipien und realistische Portraits zu abstrahierten Landschaften gesetzt.

Eine weitere Besonderheit besteht darin, die räumlichen Polaritäten der Innenraumgestaltung auch motivisch wie elementar auszuspielen „…Ferne und Nähe, Himmel und Erde, Wald und Flur, Leben und Tod … Adam & Eva (Taufkapelle) vs. Kreuz (Chor) … Landschaft ist dabei das verbindende Element.“ *aus den Erläuterungen

Die elementübergreifenden Bilder wie auch die spannungsvoll gefügten Motivgruppen lassen einen besonderen Reiz in Gestaltung und Raumwirkung erwarten. Die vorgeschlagenen Techniken eröffnen zudem eine dreidimensionale Wirksamkeit und Wandelbarkeit durch Bewegung und Lichteinflüsse.

Die Dichte der Motive z.B. bei den Türen oder auch die Technikwahl der Portraits wären in einer weiteren Bearbeitung näher zu untersuchen z.B. hinsichtlich Nah- und Fernwirkung, Durchsehbarkeit o.ä.

Herr Plodek bietet einen Vorschlag an, der extrem klar und dennoch nicht vordergründige Fenstergestaltung ist, wohl aber dem Ort, dem Raum und der spezifischen Bestimmung dieser Walldorfer Kirche entspricht.

 

Freude und Bedauern

 

Sehr geehrte, liebe Glaskünstlerinnen und Glaskünstler, da haben wir nun die Entwürfe vieler genialer Glasfenster und können doch nur einen Teil davon bauen - das tut uns schon sehr leid und macht uns wirklich traurig und Sie ganz gewiss auch. Sie haben sich voll und ganz auf die neuen Fenster eingelassen, waren enorm phantasiereich, haben sehr, sehr viel Aufwand getrieben, lagen auch ganz und gar nicht daneben… und nun?

Ich wiederhole nochmals: Unsichtbar sind Sie alle dabei, denn wir haben eine veränderte Draufsicht auf unsere Kirche gewonnen und ich möchte Ihnen im Namen aller aufrichtig – danke – dafür sagen, auch haben sich Ihre Namen bei uns eingeprägt und verbinden sich nun mit Bildern.

Nun liegt noch allerlei Material von Ihnen hier und wir würden eigentlich gern recht vieles davon einbehalten, denn wir haben öfter Tage der offenen Tür mit Ausstellungen und würden Ihre Arbeiten gern noch mehrfach ausstellen, falls Sie einverstanden sind. Beim letzten Tag des Offenen Denkmal hatten wir 700 Besucher, in Kürze berichtet auch „Monumente“ über Walldorf -  das Interesse ist wirklich groß.

Darüberhinaus gibt es ein kleines Bilderarchiv der Ausstellung im Web:

Das Fensteralbum

Ihre Namen finden Sie in der Bildinfo rechts.

Eine weitere Idee kam mir über dem allen noch: Es gibt in unserer Sakristei ein kleineres „freies“ Fenster und einen echten Walldorfer Wunsch:

 

Maria und Marta

 

Maria und Martha

„Maria und Martha“ ist unser altes verbranntes Farbglasfenster, das sich die Walldorfer in einer Nebenrolle zurückwünschen. Dieses Fenster möchten wir gern unter Ihnen ausschreiben, malen oder vom Foto kopieren lassen – näheres dazu später. Haben einige von Ihnen ggf. Interesse an diesem Auftrag?  

 

 

Mit herzlichen Grüßen und einem ebenso herzlichen Dankeschön,

Ihr Heinrich von Berlepsch, Pfr.

Walldorf 19. 05. 2016 

 

Julian Plodek

Neugestaltung Kirchenfenster Walldorf Julian Plodek

 

Originaltext Julian Plodek

Erläuterungen zur Bildsprache/Motivwahl
 

Die hier zu besprechenden Gestaltungsvorschläge sollen in der Hauptsache keine Illustrationen darstellen, sondern als Bilder funktionieren, die dem heutigen Betrachter zunächst einmal unmittelbare Identifikation ermöglichen. Verzichtet wurde deshalb weitgehend auf Attributierungen, die eindeutige Ausdeutungen erzwingen, gleichwohl sie sich solchen Interpretationen nicht verschließen. Die folgenden Ausführungen seien in diesem Sinne als Vorschläge verstanden.

Der Entwurf gliedert die Kirche in eine überwiegend malerisch geprägte Süd- und eine grafisch geprägte Nordseite. Maßgeblich sind die Polaritäten Ferne und Nähe, Himmel und Erde, Wald und Flur, Leben und Tod. Landschaft ist dabei das verbindende Element. Der Darstellung von Adam und Evas im Westfenster der Taufkapelle steht das Kreuz im Chor gegenüber.

Die für die Gestaltung der Fenster gewählte Bildsprache verbindet klassischtraditionelle Kompositions- und Gestaltungsprinzipien mit modernen. Bezüge etwa auf gotischen Formen finden sich in der statuarischen Anordnung der Figuren des Taufkapellenfensters und den symmetrischen Kompositionen. An den Prinzipien moderner Formensprache geschult sind dagegen unter anderem die realistischen Ausführungen der Porträts wie auch die streng vereinfachten landschaftlichen Motive.

In den großen Fenstern der Südseite und dem Chorfenster sind Landschaften in vier Tageszeitenstimmungen zu sehen, vom Sonnenaufgang im Osten über den Mittag, den Abend bis hin zum Sonnenuntergang. Sonne und Mond als Christussymbole spielen hier eine Rolle.

Die Landschaftsfenster bilden den Rahmen für die kleinen Fenster im Zentrum der Südseite. Drei Porträts verweisen hier auf die Verkündigungsgeschichte: Frau und Mann, Maria und Josef, darüber ein Mädchen, ein Engel. Der Komet im ganz rechten Fenster der Südseite erzählt die Geschichte fort.

Die Nordseite zeigt eine nächtliche Szenerie, zentral ist der durch Äste scheinende Mond. Zur Mondsymbolik als Hinweis auf die Hoffnung auf Auferstehung und die Unsterblichkeit der Seele gehört hier komplementär das Skelet als Bild für die Endlichkeit alles Irdischen. Zugleich steht es der Verkündigungsszene gegenüber und verweist auf die Grabungsfunde.

Die vom Mondlicht beleuchtete Treppe lässt sich analog dazu als ein Bild für die Verbindung zwischen Himmel und Erde und dem Übergang vom Diesseits ins Jenseits lesen. In diesen Bildkontext gehört auch das Motiv des Storchs, der als treuer Wiederkehrer ein Sinnbild für die Auferstehung ist und der zugleich auf eine äußere Funktion der Kirche als Brutstätte verschiedener Vogelarten verweist.

Die Türen sind in die Gestaltung einbezogen. Sie zeigen heruntergestürzte, verkohlte Balken, die auch im Ostfenster als leeres Kreuz noch einmal auftauchen. Die Balken lassen sich im biblischen Kontext wie auch als Hinweis auf den Brand verstehen,zugleich können sie aber auch ein eingängiges Bild für den nicht einfachen Weg der Kirche und des Einzelnen aus dem geschützten Kirchenraum hinaus ins Leben sein.

Im Gegensatz zu den bisher erläuterten, sehr offenen Motiven zeigt die Taufkapelle zwei nackte Menschen, einen Mann, eine Frau, die über das Attribut des Apfels als Adam und Eva identifizierbar sind. Ihnen gegenüber steht am anderen Ende des Kirchenraumes das leere Kreuz; hier das Wunder der Schöpfung des Menschen und zugleich der Anfang seiner Leidensgeschichte, dort seine Erlösung durch Jesus Christus.

Erläuterungen zum technischen Verfahren

Entsprechend der unterschiedlichen Motivgruppen erfolgt auch die Realisierung mit Hilfe verschiedener traditioneller wie moderner Verfahren; der Bogen spannt sich von der klassischen Bleiverglasung mit Echtantikglas bis zu modernen Drucktechniken und der großflächigen Verwendung von Schmelzfarben.

Die figurativen Fenster werden in Bleiverglasung unter Verwendung von Echtantikglas und Überfangglas ausgeführt. Lichter werden aus den Überfängen herausgeätzt, die Modellierung der Körper und Formen erfolgt mit Hilfe von mehreren Schichten Konturund Schmelzfarbe und zusätzlichen Radierungen.

Für die kleineren Poträtfenster wäre das Verfahren noch zu diskutieren. Neben der klassischen Verbleiung verschiedener Buntglasscheiben könnte hier auch ein modernes Rasterverfahren zum Einsatz kommen (Rasterdruck über verschiedene Farbflächen, vgl. meine Fenster in der Ausstellung „Glanzlichter“).

Für die großen Landschaftsfenster der Südseite ist eine kombinierte Verwendung von buntem Antikglas und malerisch aufgetragenen Farbverläufen, die auf die Trägerscheibe laminiert werden, vorgesehen. Alternativ ist auch eine vollständig malerische Lösung auf nur einer Scheibe denkbar.

Auf der Nordseite wird die Schutzverglasung in die Gestaltung einbezogen. Auf ihr werden die farbigen Flächen malerisch oder durch Siebdruckverfahren aufgetragen. Zusätzlich wird die Scheibe durch Sandstrahlen getrübt, um das schwächere Nordlicht zu fangen. Die grafischen Strukturen stehen schattenrissartig davor. Ein Bleirutennetz ermöglicht die Verwendung von farblosem Echtantikglas mit unterschiedlicher Struktur und Bläselung. Durch die Staffelung des Motivs auf zwei Ebenen entsteht zudem zusätzliche Tiefe.  

Danke für Ihr Interesse!

Weitere Informationen folgen.

Herzliche Grüße,

Heinrich von Berlepsch

 

Link: Die alten Glasfenster

 

Kirchenburg Walldorf

Kirchenburg Walldorf – Fenster Turmuntergeschoss – nach dem Brand 2012

 

Wiederaufbau Kirchenburg Walldorf – die neuen Fenster

Gedanken zur Gestaltung

 

Nach 20 Jahren Kirchenburgsanierung von 1987 bis 2007 war der Abbrand unserer Kirche im Jahr 2012 ein Ereignis, das uns nicht nur emotional getroffen hat, sondern auch einen Denkprozess ausgelöst hat.

  • Als Christen glauben wir nicht an Zufälle, allerdings glauben wir auch nicht, dass dieser katastrophalen Vernichtung von einmaligem gewachsenen Kulturgut ein höherer Sinn innewohnt. Umso mehr ist uns bewusst, dass WIR dem Wiederaufbau unserer Kirchenburganlage einen nachhaltigen Sinn geben sollten.
  • „Denkmalpflege“ – die haben wir beim ersten Aufbau über 20 Jahre hin liebevoll getrieben. Bauliche Erhaltung ist uns nach wie vor wichtig. Wer viel verloren hat, für den haben „Stäubchen der Geschichte“ große Bedeutung. Wir betrachten unsere Fensteröffnungen als großes Geschenk und möchten viel für deren Gestaltung tun.
  • Doch gerade im Nachdenken über die denkmalpflegerischen Aspekte des Wiederaufbaus unserer Kirche ist uns aufgefallen, dass wir als Kirche/Kirchgemeinde wohl auch eine Neigung haben, zu oft geistige, theologische und dogmatische Denkmalpflege zu treiben. Dort möchten wir einen Schnitt machen und einen Neuanfang wagen – das ist die wohl ausdrücklichste Konsequenz, die wir aus dem Brand gezogen haben.
  • Außenstehende haben zuweilen das Gefühl, beim Betreten einer Kirche oder auch in der Begegnung mit kirchlicher Sprache, Denkweise und Tradition eine manchmal recht hohe Schwelle überschreiten zu müssen, die sie in einen ungewohnten, vielleicht sogar abgetrennten Raum führt – wir sind uns dieser Schwelle bewusst, möchten sie aber vorsätzlich als mögliche Hürde abbauen. Unser Ziel ist eine:

Erlebniskirchenburg mit niedriger Schwelle für alle

flexible Gemeindekirche

Kinder- und Jugendkirchenburg

Radfahrerkirche und Biotopkirche

  • Als Menschen mehrheitlich noch nicht lesen und schreiben konnten - auch für Kinder – hatten Bilderbücher und Bilderbibeln ihre großen Zeiten. Wir glauben, dass die Wirkung von Bildern bzw. Farbfenstern noch heute außerordentlich hoch eingeschätzt werden darf.
  • Wir möchten deshalb unsere Fenster nicht „verbrauchen“ für das Unterholz dogmatischer und theologischer Fragen (siehe oben) oder auch besondere liturgische Stellungnahmen abgeben, sondern Begegnung schaffen… ein wenig spiegeln, ein wenig abholen, Betrachter per Gottvertrauen von Verengungen und Stagnationen (er)lösen und haben dabei nicht ausschließlich, aber doch immer wieder deutlich Kinder und Jugendliche vor Augen. Leichtigkeit, Freundlichkeit, Farben, Humor, Direktheit, Spielerisches liegt uns sehr viel näher als abstrakte, rein symbolische „Sprache“.
  • Legitimation: Das Gottesbild, das Christen auch heute noch praktizieren ist religionsgeschichtlich in mehreren 1000 Jahren „gewachsen“. Motor des Gottvertrauens waren stets die großen Menschheitsfragen und -themen. Mit genau diesen Fragen sind die Mütter und Väter unseres Glaubens an Gott herangetreten, haben Antworten gefunden und ihr damaliges Gottesbild weiter skizziert. Wir halten es für wichtig, diesen Prozess fortzuführen und räumen Menschen in ihrer/unserer Situation heute eine ziemlich große Bedeutung ein, wollen auch heute noch mit Gott reden, uns selbst und unseren Gottesbegriff weiterentwickeln… unsere Fenster dürfen dergleichen illustrieren.

gez. Heinrich v. Berlepsch, Pfr.

Kirchenburg Walldorf

Kirchenburg Walldorf – Fenster Turmuntergeschoss – nach dem Brand 2012